12.12.2023  LIQUI MOLY HBL

AUF DEM SPRUNG - VfL Gummersbach: Talentförderung als Teil der DNA und wichtige Identifikation

Als die deutschen Junioren am Abend des 2. Juli in der Berliner Max-Schmeling-Halle auf dem Siegerpodest standen, wurde auch im Oberbergischen kräftig gefeiert. Denn gleich zwei Spieler des VfL Gummersbach gehörten zum Weltmeisterteam: Ole Pregler und Mathis Häseler. Im ersten Teil der neuen Serie „Auf dem Sprung“, die sich mit der erfolgreichen Nachwuchsarbeit an den Standorten der Handball-Bundesligisten befasst, dreht sich alles um den Traditionsverein.

Der VfL Gummersbach gehört wieder zu den erfolgreichsten Clubs im nationalen und internationalen Klubhandball. Nach dem Wiederaufstieg in die LIQUI MOLY HBL hat sich der Traditionsverein nun aufgemacht, um an alte Erfolge anzuknüpfen. Mit Trainer Gudjon Valur Sigurdsson weht wieder ein frischer Wind durch die Schwalbe-Arena. Neben A-Nationalspieler Julian Köster sind auch die U21-Weltmeister Pregler und VfL-Eigengewächs Häseler Gesichter des „neuen“ VfL.  

Mit der Integration der Handballakademie in die VfL Handball Gummersbach GmbH erfolgte 2020 der nächste Schritt zur Professionalisierung der Nachwuchsarbeit. Kinderhandball (U7 bis U13), Leistungssportbereich (U15 und U17) sowie Anschlussbereich (U19 und U23) repräsentieren die drei Säulen der Akademie. „Unsere Akademie ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer DNA und wir versuchen uns auch da jeden Tag weiterzuentwickeln. Aktuell konnten wir einige Erfolge, speziell natürlich das Erreichen des Halbfinals unserer U17, feiern. Daran wollen wir anknüpfen“, sagt VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler.  

Unter dem Motto „Handball. Leben. Lernen.“ und entsprechend der DHB-Rahmentrainingskonzeption sieht die Akademie die Persönlichkeitsentwicklung als zentrales Ausbildungsziel an. Leistungssportliche Werte wie Zielstrebigkeit, Teamfähigkeit und Fair Play bilden die Grundlage der Akademiearbeit. Seit 2020 ist Jörg Bohrmann Nachwuchskoordinator und Leiter der Gummersbacher Handballakademie. Der 54-jährige A-Lizenz-Trainer und frühere Bundesligaspieler war von 2006 bis 2012 in ähnlicher Funktion beim TSV Bayer Dormagen tätig und war dort wesentlich am professionellen Aufbau der Nachwuchsausbildung beteiligt. Ein paar Dutzend Spieler entwickelte Bohrmann erfolgreich in die erste und zweite Bundesliga, darunter Namen wie Simon Ernst, Moritz Preuß, Tim Suton und Kentin Mahé.  

Die Spieler der Gummersbacher Handballakademie werden ab der U15 unter leistungssportlichen Bedingungen ausgebildet. Das Team aus erfahrenen und qualifizierten Trainern um die EHF-Masters-Coaches Goncalo Miranda und Davor Rokavec sowie drei A-Lizenz-Inhaber, verfolgt ein ganzheitliches Talentförderungskonzept, bei dem die individuelle Entwicklung der Spieler in modernen Trainingsstätten im Vordergrund steht.   

Alle Nachwuchsspieler der Akademie haben Zugriff auf das physiotherapeutische und medizinische Netzwerk der Bundesligamannschaft des VfL. Ein eigens für die Akademie ausgearbeitetes Gesundheitskonzept dokumentiert neben Regenerations- und Rehabilitationsmaßnahmen auch präventive Inhalte wie zum Beispiel mehrmals im Jahr stattfindende Vorsorgeuntersuchungen beim Vereinsarzt. 

„Der VfL steht definitiv für eine Top-Ausbildung“, sagt Jörg Bohrmann: „Wir bringen unsere Talente vom Jugendbereich bis zur U23 so weit, dass sie sich im Seniorenbereich durchsetzen können. Ziel ist es natürlich, dass möglichst viele den Sprung in den HBL-Kader schaffen, doch das ist natürlich eine Herausforderung. Aber Gudjon Valur Sigurdsson ist jemand, der der Jugend immer eine Chance gibt, er interessiert sich sehr für unseren Nachwuchs, er ist oft in der Halle, er ist auch als Trainer der Vollprofi, der er als Spieler war.  Mit ihm stehen wir natürlich immer in einem engen Austausch.“ 

Für Sigurdsson, der selbst viele Jahre als Spieler für den VfL auflief, ehe er 2020 seine erste Trainerstation überhaupt beim VfL übernahm, ist Talentförderung mehr als nur Technik und Taktik zu trainieren: „Wenn ich mit jungen Menschen zu tun habe, geht es nicht nur darum, erfolgreich im Handball zu sein und alles andere ist egal. Ich möchte, dass meine Spieler zur Schule gehen, ihre Hausaufgaben machen, dass sie Prüfungen bestehen, dass sie Ihre Ausbildung absolvieren und abschließen. Ich hatte damals den Fehler gemacht, dass ich mich nicht darum gekümmert habe.“  

Neben Schule und Ausbildung steht für den Isländer die Gesamtentwicklung der Spieler ebenso im Fokus: „Mir bedeutet es viel, wenn ich sehe, dass die Leute sich weiterentwickeln. Als Männer, als Freunde, als Ehemänner, als Väter. Das gibt mir auch viel, zu sehen, dass sie Verantwortung übernehmen, dass sie sich korrekt verhalten im Umgang miteinander, aber auch nach außen mit unseren Fans.“ 

Und natürlich ist Sigurdsson von seinen U21-Weltmeistern begeistert: „Mathis habe ich vor drei Jahren gesagt, er kann ein ganz Großer werden. Er ist ein sehr spannender Spieler, kann bis zur Decke springen, hat tolle Wurfvarianten drauf. Er ist schnell und ist für einen jungen Außen auch ungewöhnlich gut in der Abwehr. Mathis hat aber auch Pech gehabt in den letzten zwei Jahren. Er hat sich zweimal am Fuß verletzt und ist dadurch einige Monate ausgefallen. Deswegen glaube ich, dass er sogar noch weiter wäre, wenn die zwei Verletzungen nicht passiert wären.“, meint der Isländer über Häseler, der seit der C-Jugend beim VfL spielt und alle Mannschaften in der Akademie durchwandert hat. „Mathis ist ein Riesentalent, aber er muss eben gerade hart arbeiten, um seine Spielanteile angesichts der Konkurrenz auf seiner Position zu bekommen“, meint auch Akademieleiter Jörg Bohrmann. 

Ole Pregler wurde in Melsungen geboren, durchlief alle Nachwuchsteam bei der MT, ehe er 2021 nach Gummersbach wechselte – und dort ist er nun fast schon Stammspieler. „Ich glaube, dass Ole eine ganz große Zukunft vor sich haben kann, weil er so ehrgeizig, fleißig und motiviert ist. Er ist bereit, fast alles dafür zu tun, um Handballprofi zu sein und ein erfolgreicher Spieler zu werden“, meint sein Cheftrainer Sigurdsson über seinen Spielmacher: „Ole schaut viel Handball, er setzt sich mit der Taktik von anderen Gegnern und von uns auseinander. Er arbeitet extrem fleißig im Kraftraum, möchte unbedingt auch in der Abwehr besser werden, um dort mehr Spielanteile zu bekommen.“ Das sieht Bohrmann ähnlich: „Seit Ole bei uns im Bundesligakader ist, hat er viele Schritte nach vorne gemacht, er ist voll etabliert.“  

Für den 21-jährigen Pregler ist der Weg durch den Nachwuchs beendet, aber beim Blick zurück ist er unglaublich froh, wie in Deutschland Talente gefördert werden: „Das fängt in der Jugend-Bundesliga an, wo man schon frühzeitig gegen die anderen Bundesligisten spielt. Das ist einfach cool, dass man in dem Alter eine eigene Bundesliga hat. Ich glaube, dass die Vereine auch mittlerweile sehr viel Wert darauf legen, dass der eigene Nachwuchs in die Bundesligamannschaft aufrückt.“ Und diese Erfahrungen haben ihn in seinem Traum vom Handballprofi bestärkt: „Ich sehe Handball als Beruf. Ein Hobby machst du, wenn du Lust und Laune darauf hast. Das ist beim Beruf einfach nicht so, du musst auch aufstehen, wenn du vielleicht mal nicht so Lust hast.“ 

Auch für Mathis Häseler ist Handball mittlerweile der Hauptjob, auch der Rechtaußen hat die Profikarriere eingeschlagen – bei „seinem“ Verein: „Das bedeutet mir sehr viel und ich freue mich sehr, dass ich so früh einen Profi-Vertrag unterschreiben konnte. Da hat sich die harte Arbeit in der Jugend gelohnt. Und es war natürlich mein Traum, erstmal hier zu unterschreiben. Ich versuche mich jeden Tag weiterzuentwickeln, im Training 100 Prozent zu geben und dann werden wir sehen, worauf es hinausläuft.“ 

Der Übergang aus der VfL-Akademie in den Gummersbacher Profibereich ist für Jörg Bohmann nicht nur aus sportlicher Sicht eminent wichtig, sondern auch als Identifikation der Region mit dem Verein: „Wir zeigen Jahr für Jahr auf, dass es unsere jungen Spieler in die Bundesliga schaffen können. Und die Region lebt das mit. Im Sommer hatten wir 1500 Fans beim Halbfinale um die deutsche B-Jugend-Meisterschaft gegen die Füchse, die Halle war voll, die Fans aber auch unsere Partner identifizieren sich mit unserem Nachwuchs, auch die U23 hat sich toll unter Gonzalo Miranda entwickelt. Da stehen alle genauso dahinter wie hinter der Bundesligamannschaft.“ 

Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist es auch, was Gudjon Valur Sigurdsson antreibt: „Ich bin einfach sehr glücklich und froh, dass ich bei so einem traditionsreichen Klub arbeiten darf. Was immer noch in Gummersbach geliebt wird, das ist Handball und der Verein. Und das ist das, was für mich zählt.“ 

Diese Art und Einstellung des Trainers kommt auch bei den Toptalenten gut an: „Goggi fordert und erwartet sehr viel von uns, dass wir jedes Training auch immer kämpfen, immer 100 Prozent geben. Und ich denke, das bringt uns sehr weit“, sagt Mathis Häseler über Sigurdsson. Ole Pregler ergänzt: „Er ist vielen Trainern einen Schritt voraus, was Nachwuchsförderung betrifft. Und er lebt auch nach seiner Karriere jedem hier vor, wie man zu trainieren hat und was es heißt, alles zu geben.“ Der Gelobte kennt aber auch die Gesetze des Marktes: „Ich weiß, dass die Jungs, der Verein und ich an Punkten und Toren gemessen werden.“ 

Mit Blick auf aktuelle VfL-Spieler wie Julian Köster, Mathis Häseler, Ole Pregler und auch Tom Kiesler sieht Jörg Bohrmann die Situation ebenfalls realistisch ein: „Es wird nicht in jedem Jahrgang solche Spieler geben, die gleich den Sprung in die Bundesliga schaffen. Da dürfen wir uns nicht entmutigen lassen, sondern immer weiter gehen und immer die nächsten Schritte machen. Das hat den VfL schon immer stark gemacht. Das Projekt VfL ist für mich etwas Besonderes, da möchte ich gerne weiterhin ein Teil von sein und ich freue mich darauf, in der nächsten Zeit hier weitere Dinge voranzutreiben!“ 

Foto: Mhoch4